Unter welchen Voraussetzungen es bei angestellten Außendienstmitarbeitern zulässig ist, dass Reisezeiten zu Kundenterminen nur teilweise bezahlt werden, obwohl der Tarifvertrag sie voll zur Arbeitszeit zählt, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
28.9.2020 (verpd) Laut einer Betriebsvereinbarung eines Unternehmens für seine angestellten Außendienstmitarbeiter galten die ersten 20 Minuten der Fahrt zum ersten und vom letzten Kunden nicht als Arbeitszeit. Weil diese Regelung ungünstiger war als der für das Unternehmen geltende Tarifvertrag, ist sie unzulässig. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit einem aktuellen Urteil entschieden (Az.: 5 AZR 36/19).
Ein im Außendienst tätiger Servicetechniker war in einem Betrieb beschäftigt, für den ein Tarifvertrag gilt. In diesem ist geregelt, dass die Zeit der ersten Anfahrt zu einem Außendiensttermin ebenso mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sei wie die der letzten Abfahrt von einem Kunden nach Hause. In einer zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung war jedoch geregelt, dass diese Fahrten nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie einen Zeitraum von 20 Minuten nicht überschreiten.
Doch auch, wenn die An- und Rückfahrten länger als 20 Minuten dauern, wird laut Betriebsvereinbarung nur die Fahrtzeit über 20 Minuten angerechnet. Die jeweils ersten 20 Minuten wurden damit nicht vergütet. In das für den Kläger geführte Arbeitszeitkonto wurden folglich Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt.
Zu Unrecht, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Es revidierte damit eine anderslautende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf. Nach Überzeugung der Revisionsrichter erfüllt der Techniker mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück nach Hause nichts anderes als seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Für die habe er trotz der anderslautenden Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf die tarifliche Grundvergütung.
Denn nach dem für den Mann gültigen Tarifvertrag seien sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringe, mit der tariflichen Vergütung abzugelten. Daran ändere auch die anderslautende Bestimmung in der Betriebsvereinbarung nichts.
„Denn Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein“, so das Gericht. Das gelte gemäß Paragraf 77 Absatz 3 Betriebsverfassungs-Gesetz nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulasse. Weil es das Berufungsgericht versäumt hat, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, wurde der Fall an das Landesarbeitsgericht zur abschließenden Entscheidung zurückverwiesen.
Arbeitnehmer, die sich von ihrem Arbeitgeber ungerecht behandelt fühlen – beispielsweise wie im genannten Fall –, können auch von einem Anwalt prüfen lassen, ob das Vorgehen des Arbeitgebers rechtens ist. Wenn es notwendig wird, den Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht auszutragen, müssen der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber in der ersten Instanz jeweils ihre eigenen Anwaltskosten selbst tragen – und zwar egal, wer den Prozess gewinnt oder verliert.
Kostenschutz für derartige Arbeitsstreitigkeiten, selbst wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt, bietet für Arbeitnehmer eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung. Eine solche Police übernimmt im Versicherungsfall nämlich die Anwalts- und Prozesskosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten, wenn der Versicherer vorab eine Deckungszusage erteilt hat.
Doch auch ein Arbeitgeber kann sich mit einer Firmenrechtsschutz-Versicherung unter anderem gegen das Kostenrisiko eines Gerichtsstreits vor dem Arbeitsgericht bezüglich Streitigkeiten mit Arbeitnehmern absichern.