Ein aktueller Report einer gesetzlichen Krankenkasse berichtet von einem rasanten Anstieg der Fehlzeiten von Arbeitnehmern aufgrund von Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen. Wie hoch die Steigerungsraten sind und welche Berufsgruppen besonders betroffen sind.
28.9.2020 (verpd) Seelenleiden nehmen weiter deutlich zu. Das zeigt der neue Report der Krankenkasse DAK. Die Fehltage steigen auf 260 Tage pro 100 Versicherte und erreichen damit einen neuen Höchststand. Frauen und Erwerbstätige in der öffentlichen Verwaltung sind besonders betroffen. Immer häufiger treten Anpassungsstörungen auf.
Seit 1997 untersucht die gesetzliche Krankenkasse DAK-Gesundheit (DAK), ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das Krankenstandsgeschehen ihrer rund zwei Millionen Versicherten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Ein Ergebnis der Studie: Noch nie gab es so viele Fehltage und Krankheitsfälle wegen psychischer Erkrankungen bei den DAK-versicherten Beschäftigten wie im letzten Jahr. Grundlage der Langzeitanalyse waren anonymisierte Daten, die von der Iges Institut GmbH, einem Forschungs- und Beratungsinstitut, ausgewertet wurden.
Nach den neuesten Zahlen dieses jüngst veröffentlichten DAK-Psychoreports kletterten die Fehltage in 2019 im Vergleich zu 2018 um 24 auf den neuen Rekordwert von 260 Krankentagen pro 100 Versicherte. Damit hat sich der Wert seit Aufzeichnungsbeginn 1997 – damals waren es noch knapp 77 Krankentage je 100 Versicherte aufgrund psychischer Leiden – mehr als verdreifacht. Das heißt, letztes Jahr war jeder gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte im Schnitt 2,6 Tage wegen einer psychischen Erkrankung krankgeschrieben, vor 22 Jahren waren es noch 0,77 Tage.
Die Anzahl der Fälle erhöhte sich von 7,0 Krankgeschriebenen je 100 Versicherte in 2018 auf 7,4 Krankgeschriebene pro 100 Versicherte in 2019. 1997 waren es noch 2,5 von 100 gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten, die wegen einer psychischen Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung erhielten.
Laut Studie waren 2019 die gesetzlich krankenversicherten Frauen mit 328 Arbeitsunfähigkeits-Tagen je 100 Versicherte deutlich länger krankgeschrieben als Männer mit 203 Fehltagen pro 100 Versicherte. Außerdem blieben anteilig mehr Frauen als Männer wegen psychischer Probleme der Arbeit fern: nämlich im Schnitt 9,3 Frauen gegenüber 5,7 Männern je 100 Versicherte. Bei beiden Geschlechtern nehmen die Ausfallzeiten mit dem Alter kontinuierlich zu. Die genannten Tendenzen waren auch in den Vorjahren zu beobachten.
Die gesetzlich Krankenversicherten blieben ihrem Job am häufigsten wegen einer Depression fern – im Schnitt 105 Fehltage pro 100 DAK-Versicherte. Anpassungsstörungen führten zu 59 Fehltagen je 100 Versicherte – das waren 4,3-mal so hohe Fehltage wie im Jahr 2000 und damit die größte Steigerungsrate unter den Einzeldiagnosen seit der Jahrtausendwende.
Auf Platz drei rangierte 2019 die Diagnose neurotische Störungen mit 26 Fehltagen je 100 Versicherte. Somatoforme Störungen und Angststörungen kamen im letzten Jahr auf je 19 Fehltage je 100 Versicherte.
Der Krankenstand wegen psychischer Erkrankungen war je nach Branche sehr unterschiedlich. Die öffentliche Verwaltung verzeichnete mit 382 Tagen je 100 Versicherte einen überproportional hohen Arbeitsausfall. Auch das Gesundheitswesen war mit 338 Tagen pro 100 Versicherte stark betroffen. Das Baugewerbe hatte mit 154 Tagen je 100 Versicherte die wenigsten Fehlzeiten. Die anderen Branchen verzeichneten zwischen knapp 183 und 249 Fehltage pro 100 Versicherte.
In vielen Fällen kann eine medikamentöse und/oder auch psychotherapeutische Behandlung das Leiden schnell lindern oder auch komplett heilen, wenn eine psychische Erkrankung wie eine Depression frühzeitig erkannt wird.
Daher ist es besonders wichtig, frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie auch die Experten des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) betonen. Für Betroffene ist es oft hilfreich, wenn eine Vertrauensperson diesbezüglich zum Arzt, Psychiater oder mitgeht. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet für Betroffene und Angehörige ein kostenloses Infotelefon (Telefonnummer 0800 3344533), das am Montag, Dienstag und Donnerstag von 13.00 bis 17.00 Uhr sowie Mittwoch und Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr erreichbar ist.
Anlaufstellen sind zudem ortsnahe psychologische und psychosoziale Beratungsstellen. An Wochenenden und Feiertagen kann der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 kontaktiert werden. Ein weiterer Ansprechpartner ist die Telefonseelsorge, erreichbar unter der Telefonnummer 116 123, 0800 1110111 oder 0800 1110222. In akuten Notfällen können Betroffene jederzeit die nächste psychiatrische Klinik aufsuchen oder die Notrufnummer 112 wählen.